Routeburn Track, 01.-03.12.2010

In Neuseeland gibt es die neun sogenannten „Great Walks“: Mehrtägige Wanderungen durch die National Parks. Einer von ihnen ist der Routeburn Track, ein Weg für drei Tage, der durch zwei Parks verläuft (Mt. Aspiring und Fjordland). Die Grenze ist auf dem Harris Saddle, also (wie sollte es auch anders sein) oben auf dem Berg. Da Liesbeth die Idee hatte noch einen Seitenweg zu gehen, hatte sie von vier Hütten die Erste und die Vorletzte gebucht. Da ich wiederum quasi auf die Planung aufgesprungen bin, habe ich das Gleiche getan und so hatten wir eine etwas seltsame Wegeinteilung…

Allgemein eigentlich ziemlich gut vorbereitet ziehen wir los. Ein Shuttle bringt uns von Queenstown zum Routeburn Shelter. Ich bin hundemüde und Liesbeth ist hundeelend, vermutlich vom Busfahren, oder vom Busfahrer, der ist nämlich eine ziemliche Plage. Kein wirklich guter Start in die Wanderung, die nicht unwesentliche körperliche Anstrengung verspricht… aber kaum laufen wir los, ist das alles so gut wie vergessen und wir wandern gemütlich durch den Wald, über diverse Hängebrücken, immer in Richtung unseres Tagesziels, das wir bereits nach noch nicht einmal zwei Stunden erreichen. Hier wird uns erst so richtig bewusst, dass wir morgen den gesamten Aufstieg vor uns haben… vielleicht ist es doch keine so gute Idee, heute noch eine weitere Schleife zu gehen, die ca. 5-6 Stunden dauern wird…

Die Entscheidung für einen faulen Tag ist daher schnell getroffen… eine erstaunliche Wendung, hatten wir doch gedacht, uns drei Tage lang auszupowern… Die Faulheit schlägt schnell in Albernheit um und wir befinden uns irgendwann in einem Wettbewerb zum längsten Handstand, der schönsten Brücke und dem besten Luftsprung. Die ersten beiden Disziplinen gehen an mich, die Letzte an Liesbeth. Irgendwann stellen wir fest, dass uns der Hüttenwächter beobachtet… Kommt wohl nicht so oft vor, dass hier jemand albern ist. Er lässt sich aber davon überzeugen, es auch einmal zu versuchen… nicht gut… aber verdammt lustig. Zumindest für uns.

Später kommt er nochmal zu uns und stellt uns die (in einer Hütte irgendwo im Wald wirklich seltsame Frage) was wir denn zum Abendessen vorhaben. Er hat Besuch von einem Kumpel, außer uns und zwei Arbeitern ist nur noch ein weiterer Wanderer in der Hütte und so lädt er ihn und uns zum Curry-Essen ein. Soetwas passiert einem wohl in dieser Abgeschiedenheit auch nur selten. Das einzig Ärgerliche ist, dass wir unser Essen noch zwei weitere Tage mit uns herumtragen müssen.

Während er kocht, spielen wir Karten, Liesbeth gewinnt, es steht 2:2. Beim Essen erzählen wir den Jungs (Hobbitrate: 2:1) von unserem Wettbewerb und sie fordern eine Entscheidung. Der beste Nationale Song mit Performance findet in keiner unserer Ausführungen Anklang, versteh ich gar nicht… Nach langem Hin und Her entscheidet am Ende Armdrücken. Rechts, Links, Rechts. Meine Linke Hand ist zwar motorisch unfähig, dafür aber stark, daher geht dieser Punkt an mich. Die anderen beiden leider nicht, so dass ich den Gesamtwettbewerb verliere. Grrrrr…

Der Tag der Albernheiten findet in der lustigen Hobbit-Runde definitiv ein würdiges Ende und lehrreich ist es auch: Streng genommen darf man in National-Parks keine Sandflies töten (und von denen gibt es hier noch mehr, als im Abel Tasman!): es sind Nationale Tiere, daher könnte man eine Strafe von bis zu 10.000 $ bekommen… und wo wir gerade bei der Tierwelt sind: Possums, eigentlich niedliche Tiere, sind in Neuseeland offensichtlich der Staatsfeind Nr. 1. Und das nicht nur, weil sie von den Australiern hierher gebracht wurden. Da die Tiere gerne Vogeleier fressen, sind sie zum großen Teil Schuld daran, dass die Kiwis so selten geworden sind und nur noch auf feindfreien Nebeninseln leben. Und was machen die Neuseeländer (außer sich über jedes überfahrene Possum am Straßenrand (Roadpizza) freuen)? Sie stellen aus Possumfell nicht nur Bauchnabelwärmer (ja… hab ich gesehen…) her, sondern auch kleine Kiwis, die in Touri-Shops verkauft werden. Da sieht man es wieder, die Natur ist immer irgendwie ein Kreislauf…

Aber zurück zu unserer Wanderung: Am nächsten Morgen ziehen wir früh los, schließlich haben wir einiges vor und kaum sind wir unterwegs, geht es auch schon bergauf. Die Sonne scheint, was zwar einerseits wunderschön ist, andererseits aber auch zu mehr Schweiß und Extrembenutzung von Sonnencreme führt. So ganz allgemein macht die Hitze die Wanderung nicht gerade einfacher.

Die Sonne brennt auf der Haut und – auch wenn ich noch kein Ozonloch gesehen habe – sie ist in Neuseeland wirklich nicht ohne. Warum genau setzen wir uns freiwillig diesen Strapazen aus? Wann auch immer mir diese Frage in den Kopf schießt, brauche ich nur zur Seite zur schauen und ich weiß wieder, warum: Nein, ich mache mir an dieser Stelle gar nicht erst die Mühe, euch zu beschreiben, wie wundervoll die Aussicht ist, denn jeder Blick übertrifft alles bisher dagewesene…

So wirklich angenehm ist der Aufstieg natürlich nicht und als wir eine Weile wegen Steinschlag-Gefahr nicht einmal anhalten können, um etwas zu trinken, bin ich nicht gerade begeistert… überraschenderweise ist es aber doch nicht so schlimm, wie erwartet. Vielleicht liegt dies aber auch an der vielen Ablenkun. Die Landschaft um uns herum verändert sich ständig und sobald wir auch nur kurz denken „langsam wird die Aussicht aber langweilig“, gibt es schon wieder etwas Neues. Eben noch sehen wir Wolken im Tal, dann entdecken wir einen See, die Felsen sehen plötzlich auch ganz anders aus und habe ich solche Blumen schonmal gesehen? Gerade als wir anfangen müde zu werden, entdecken wir im Tal einen unglaublich schönen See (Lake McKanzie) mit einer Hütte. Hier werden wir die nächste Nacht verbringen… Ihr glaubt gar nicht, wie gut es manchmal tut, sein Ziel vor Augen zu haben. Auch wenn es noch eine ganze Weile dauert, bis wir im Tal ankommen.

An der Hütte werden wir natürlich von diversen Sandfliegen begrüßt. Elendige Mistviecher. Aber der See ist so schön… aber bitterkalt. Da ich zu allem Überfluss neben meinem Rucksack auch noch eine Erkältung mit mir herumschleppe, lasse ich mich lieber nicht zum Schwimmen hinreißen… im Gegensatz zu einer Gruppe älterer Kiwis, die sich für eine kurze Erfrischung ins Wasser wagt und auch Liesbeth dazu inspiriert ein Foto im See zu machen.

Den Abend verbringen wir kartenspielend mit den anderen Leuten in der Hütte und warten ungeduldig, bis es endlich zehn Uhr ist und wir uns nicht mehr komisch vorkommen müssen, wenn wir schlafen gehen… wann ändert sich das eigentlich, dass man nicht mehr quängelt, länger aufbleiben zu wollen? Ich schätze, ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, ab dem man plötzlich den unteren Teil von Stockbetten bevorzugt…

Früh morgens sieht der ohnehin schon wunderbare See noch viel toller aus. So ganz ohne Bewegung spiegelt er die Berge, die Steine und überhaupt… wow…. dass die Natur hier so weit und unberührt ist, alles scheint frisch und klar und ach… es gibt einfach keine Worte.

Unsere dritte Etappe ist nicht ganz so „easy“ wie vermutet. Viel zu oft müssen wir wieder bergauf laufen, obwohl wir das doch gar nicht mehr wollten. Nach Aufwärmen am ersten Tag und den gestrigen Klettereien ist das Thema des Tages „Balance“. Immer wieder wird unser Weg von Flüssen durchkreuzt, die wir von Stein zu Stein hüpfend überqueren. Zum Glück laufen wir größtenteils durch den Bush, so dass uns die Sonne nur teilweise zu Schaffen macht. Unglaublich, wie viele verschiedene Sorten Moos es hier gibt. Und überhaupt, die Pflanzenwelt ist der Wahnsinn. So viele verschiedene Farne, gerne auch in Palmenform (so viel zum Thema Paradies), Bäume und anderes Gestrüpp, das ungehindert quer durcheinander wächst. Mittlerweile kann ich verstehen, dass ich in Alaska gefragt worden bin, ob wir Deutschen eigentlich unsere Wälder putzen…

Als wir schließlich am Ziel ankommen, sind wir zwar müde, aber nicht vollkommen erschöpft. Vor allem aber sind wir stolz, es geschafft zu haben und freuen uns auf eine schöne große Pizza. Oder doch nochmal zu Fergburger, dem besten Burger-Lokal des Landes (vielleicht sogar der Welt)?

Der Routeburn Track ist definitiv das Highlight meines Neuseelandaufenthaltes und steht ganz weit oben im Gesamt-Ranking meiner bisherigen Reise. Ich muss doch immer wieder feststellen, dass mir Wandern einfach gut tut, ich dabei irrsinnig glücklich bin, die Belohnung für jegliche Anstrengung einfach enorm ist und diese angenehme Müdigkeit, wie wenn man als Kind den ganzen Tag draußen gespielt hat, die hat einfach was.

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