Nordamerika – Mein Resümee

Ca. drei Monate war ich nun in Nordamerika unterwegs und es wird Zeit für eine kleine Zusammenfassung. Allen US-Patrioten kann ich nur ans Herz legen, an dieser Stelle einfach nicht weiter zu lesen, denn es handelt sich hier um meine persönlichen Eindrücke, die äußerst subjektiv sind und meine Sicht der Dinge ist von meinem Blick geprägt, der sich natürlich auf das richtet, was ich sehen will. Ich denke, ich habe viel gesehen, aber natürlich nicht alles, habe viel erlebt, aber natürlich nicht alles Mögliche und ich habe viele Menschen kennengelernt, aber auch nicht alle. Meine Meinung kann sich also nur aus dem zusammensetzen, was meine letzten Monate geprägt hat. Ich finde, es ist eine ganze Menge und ich kann mir nun ein Urteil erlauben. Und selbst, wenn nicht, würde ich es natürlich trotzdem tun ;-)

Warum ich ein kleines Vorwort schreibe? Ganz einfach, weil ich in Neuseeland bei einer Amerikanerin extrem angeeckt bin, weil ich nicht vor Begeisterung (nicht einmal für Hawaii) gesprüht habe. Offensichtlich bin ich der erste und einzige Mensch, dem es so ergeht und bevor mich jemand bei der Patrioten-Behörde anzeigt… Aber nun genug des Kleingedruckten:

So sehr ich mir auch angewöhnt habe, Kanada und die USA als Nordamerika zusammenzufassen, so sehr bestehe ich doch darauf Nordamerika in vier Teile zu teilen. Kanada (ja, da unterscheide ich nicht wirklich zwischen dem französischen und dem englischen Teil), USA, Alaska und Hawaii. Die USA müssen geteilt werden, denn die beiden genannten US-Amerikanischen Staaten behaupten zu Recht von sich, dass sie anders sind, als das „Mainland“.

Aber beginnen wir mit Kanada.
Die Unterschiede auf dieser Welt zu entdecken war und ist ein wichtiger Punkt auf meiner Reise. Dass ich in Québec nicht einmal das Gefühl hatte, Europa entkommen zu sein, fand ich daher extrem erstaunlich. Erst mit Verlassen der Städte Montréal und Québec City und der damit verbundenen Entdeckung extremer Weite, wurde mir klar, wie anders mein Heimatkontinent doch ist.

Für mich ist es normal, dass man mit einem Fuß in einem Land und mit dem anderen im Nächsten sein kann. Ja, man kann sogar noch seine Hand in ein Drittes setzen und keiner ist erstaunt (wobei man dann zugegebenermaßen albern aussieht).

In Kanada gleicht es einer Weltreise, wenn man die andere Seite des Landes besucht – und kaum einer scheint es zu tut. Dörfer sind hier noch wirkliche Dörfer und man kann Ewigkeiten durch das Land fahren, ohne der Zivilisation zu begegnen. Und dabei befinde ich mich fast ausschließlich in den dicht besiedelten Teilen des Landes. Die unglaubliche Größe und die Landschaft sind atemberaubend. Wunderschön und gigantisch. Gleichzeitig gehen hier von der Natur die unterschiedlichsten Gefahren aus. Stark wechselnde Witterung, wilde Tiere etc. Etwas Neues für mich, denn in weiten Teilen meines Landes scheint die Natur schon lange nicht mehr mächtiger als der Mensch. In Kanada hingegen kann man sich so wunderbar klein fühlen. Mir scheint, als sollte man besser immer auf alles vorbereitet sein… seltsam, denn auf unseren Autobahnen bekommt man ja schon fast Panik, wenn es bis zur nächsten Tankstelle noch 50 km sind. Wie lächerlich das hier erscheint…

Irgendwie widersprüchlich zu dieser Ursprünglichkeit, der Naturverbundenheit und dem Leben in und mit der Natur, sind die starken Einflüsse aus Europa (Kultur und Historie) und den USA (Modernität und Konsum), die einem überall begegnen. Ich kann es schlecht beschreiben, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sich diese Einflüsse teilweise nicht richtig zu einer Gesamt-Identität verbunden haben, sondern vieles scheinbar hin- und hergerissen zwischen diesen drei Welten schwankt. Ich habe natürlich keinerlei Vorstellung davon, was es bedeutet, Teil eines verhältnismäßig jungen Landes zu sein. Aber manchmal scheint es mir, als wäre das Land ein Teenager auf der Suche nach sich selbst. Dies alles gibt Kanada zwar etwas verwirrtes, aber gleichzeitig eine erfrischende Jugendlichkeit. Mir scheint, als wären hier Entwicklungen und Veränderungen schneller und einfacher möglich als zu Hause. Es ist wirklich ein interessanter Kontrast zu der Millionen Jahre alten Landschaft, der rauen, harten, gleichzeitig aber unberührten und unglaublich schönen Natur. Wie ein Großvater, der seine Enkel auf sich herumturnen lässt.

Als typische Europäerin habe ich mir von den Städten und Ortschaften mehr erwartet, was bei näherer Betrachtung natürlich völliger Unfug ist. Die Natur aber hat mich umgehauen und immer wieder in ihren Bann gezogen. In Falardeau mit dem wohl entspannendsten See der Welt, auf sämtlichen Busreisen und während denen mich das kilometerweite „Nichts“ gelehrt hat, was Entfernung bedeutet. Aber auch mit den Niagara Fällen, die unglaublich sind und mir ihre Dominanz über die Touristen erst einmal beweisen mussten. Nicht zuletzt sind aber auch meine geliebten Rocky Mountains in Kanada und prägen meinen Eindruck von diesem Land natürlich sehr stark. So wunderbar vielseitig, rau und gleichzeitig herzlich… und es gibt noch so vieles mehr, was ich noch nicht gesehen habe… das muss sich irgendwann ändern!

Wenn ihr mich fragt (oder wahlweise einige Einwohner), sollte Alaska zu Kanada gehören. Nicht nur, weil es dort geographisch besser hinpasst, sondern weil das, was ich an Kanada ohnehin schätze (Naturverbundenheit, eine gewisse raue, herzliche Härte etc.) hier noch ausgeprägter vorhanden ist. Und das passt nicht in mein sonstiges Bild der USA, das ich nicht wegen eines einzigen Staates verändern möchte.

Hier erscheint es mir zwar auch seltsam, dass man bei Walmart Waffen kaufen kann, aber es macht wenigstens noch Sinn. Wie mir der Taxifahrer in Haines, der mich davor bewahrt hat, zig Kilometer mit meinem Rucksack zur Fähre zu laufen, bestätigt, weiß man hier noch, wie man Fische fängt, Wild erlegt und wo es die besten Beeren zu sammeln gibt. Leben hängt hier noch viel mehr mit Überleben zusammen, als ich es mir vorstellen kann. Und ich bin nicht mal ein echtes Stadtkind. Hier gibt es Orte, die man nur mit dem Flugzeug erreichen kann, im Winter eingeschneit zu sein, ist normal. Wer seine Milch nicht Anfang der Woche kauft, hat eben am Wochenende keine und soweit weg von der Wichtigkeit von Statussymbolen muss man auch erst einmal sein…

Zumindest der kleine Teil von Alaska, den ich gesehen habe, scheint mit diesem Sonderstatus wunderbar leben zu können. Die Uhren ticken hier nicht nur langsamer, sie haben vor allem andere Prioritäten.

Die viel gepriesene „Hawaiian Time“ hingegen ist nicht wirklich meine Zeit. Meine Erwartungen an diese Inseln waren einfach zu groß, als dass sie von einem Staat erfüllt werden könnten, der einerseits vor Touristen-Massen überquillt und andererseits keine Lust auf Fremde zu haben scheint. Viel zu oft fühle ich mich fehl am Platz, weil ich entweder einer von Millionen Touristen bin, die möglichst viel essen, trinken und konsumieren sollen oder aber ich bin alleine unter Blicken die „was macht die denn hier?“ zu sagen scheinen.

So faszinierend meine Vulkan-Ausflüge auch waren, Hawaii ist für mich definitiv nicht das Paradies. Dafür scheinen mir die Menschen auch einfach zu angestrengt cool und zu unausgeglichen entspannt. Manche Gebiete sind extrem hochglanzpoliert, während viele andere vor sich hingammeln und keinerlei Aufmerksamkeit zu erhalten scheinen… wie ein armes Land mit einer aufgedonnerten Strandpromenade. Mein liebes Hawaii, es war schön, dich kennengelernt zu haben, aber wir passen einfach nicht zusammen. Ich mag deine vulkanische Herkunft und finde es faszinierend, dass du nach wie vor Feuer spuckst und mir ein unvergessliches Naturspektakel vorgeführt hast. Aber darüber hinaus bist du mir einfach viel zu oft auf die Nerven gegangen, als dass ich dich ernsthaft in mein Herz schließen könnte…

Damit bleiben noch 48 Staaten der Weltmacht USA, von denen ich ziemlich viele bereist bzw. durchreist habe. Tausende von Kilometern im Bus, die mich nicht dazu gebracht haben, meine ausgeprägten Vorurteile abzubauen. Im Gegenteil. In diesem Land habe ich bekommen, was ich erwartet habe… nein, meine Erwartungen wurden teilweise sogar noch übertroffen.

Um meiner subjektiv-extremen Sicht noch einen kleinen Hauch von Fairness zu geben, muss ich dazu sagen, dass ich mit dem Greyhound-Bus unterwegs war. Diese Entscheidung ist vermutlich maßgeblich dafür, dass ich die USA eher als Entwicklungsland, denn als reiche Industrienation wahrgenommen habe. Was ich sehe kann nicht mehr viel gegensätzlicher zu dem Bild sein, das Hollywood mir seit Jahren versucht hat zu vermitteln.

So ein Greyhound-Bus ist ja prinzipiell nichts schlechtes. Relativ gutes Netzwerk, viele Ortschaften gut erreichbar, ziemlich billig und (das ist mir allerdings nur einmal passiert) manchmal gibt es sogar WiFi im Bus. Soweit klingt es ja nicht schlecht. Warum entgleisen also den meisten Menschen (außerhalb der Busse und Busbahnhöfe) die Gesichtszüge, wenn ich ihnen erzähle, dass ich mit dem Greyhound unterwegs bin?

Wer mit dem Greyhound unterwegs ist, ist arm. Und arm sein ist schlecht. Prinzipiell und immer. Wenn es sich also irgendwie vermeiden lässt, fährt man hier nicht mit dem Bus. Da bewegt man sich lieber gar nicht fort. Wer es nicht vermeiden kann, hat guten Grund dazu. Meinen Schätzungen nach, saßen ca. 60% der Greyhound-Passagiere in den letzten zwei Jahren irgendwann im Knast, oder werden es laut meiner Prognose in den nächsten zwei Jahren tun. Allein über den Geruch im Bus könnte ich mich eine geschlagene halbe Stunde auslassen. Dieser ähnelt – und ich vermute, dass die Busgesellschaft daher ihren Namen hat – dem Gestank von nassem Hund und kriecht in alles, was man hat und ist. Manchmal reicht nicht einmal eine ausführliche Dusche, um sich nach einer nächtlichen Reise wieder frisch zu fühlen. Davon, dass mein Rucksack vermutlich nie wieder angenehm riechen wird, brauche ich wohl gar nicht sprechen. Aber – und irgendwie hat schließlich alles etwas Gutes – nach meiner Mindener Ghetto-Wohnung erscheint mir das alles gar nicht mehr so schlimm…

Wie kann ich euch sonst noch ein Bild vom Greyhound-Fahren vermitteln, ohne zu weit auszuholen und ohne damit die nächsten drei Seiten zu füllen? Ich könnte euch von meiner Theorie erzählen, dass man mit dem Fingernageldreck aller Reisenden den Grand Canyon auffüllen könnte. Oder davon, dass es immer ein Glücksspiel ist, wer sich neben einen setzt. Der eklige Typ, der vermutlich schnarcht und dessen Kopf vermutlich im Schlaf auf meine Schulter sackt, oder die gewichtige Dame, die zwei Plätze braucht und es geschafft hat meine Schokolade aus dem Automaten zu befreien, oder vielleicht die schreienden Kinder, die ihre Mutter ziemlich gut im Griff zu haben scheinen… Am besten teile ich einfach meine Lieblingsanekdote, erfahren in Tallahassee, dem einzigen Ort, von dessen Besuch ihr bisher noch nichts erfahren habt:

In Tallahassee bin ich nur für einen Tag und das auch nur, um mir zwischen zwei Nachtbussen ein wenig die Füsse zu vertreten. Das Einzige, was ich dort tue ist ein Besuch im Einkaufszentrum. Mittagessen, Frisör, Starbucks und zurück zum Busbahnhof. Dort wimmelt es – wie üblich – vor Security, definitiv ein beruhigender Fakt.

Um mir die Zeit zu vertreiben lese ich. Das scheint hier allerdings nicht allzu selbstverständlich zu sein, denn die Tatsache, dass ich ein Buch vor meiner Nase habe, ist für diverse Menschen Grund genug, mich anzusprechen. Zuerst ein mittelalter Mann, der mich extrem nervt, dann aber verschwindet, als ich ihm mehrfach mitteile, dass es mich keineswegs beeindruckt, dass auch er manchmal Bücher liest und dass ich mich wirklich gerne meiner eigenen Lektüre widmen möchte.

So einfach lässt sich das mir aufgezwungene Gespräch mit einem extrem tätowierten Weißen im Unterhemd und einem Dunkelhäutigen mit Frontvergoldung dann leider nicht unterbrechen. Während der frontvergoldete Typ mir (natürlich mit der Vor- bzw. Nachsilbe „Lady, Honey, Sweety…“) versucht klar zu machen, dass ich unwahrscheinlich gut aussehe (klar, ich trage schließlich meine besten abgegammelten Jogginghosen und einen schwarzen Fleecepulli, der nach Greyhound riecht), versucht der andere es mit einem Gespräch, das in folgendem Dialog gipfelt:

Er: „Du bist also aus Deutschland… bist du mit dem Greyhound hierher gefahren?“

Ich: „???????????“

Was soll ich dazu sagen? Vielleicht: „Nein, das ging leider nicht, da die Busse aufgrund des Salzwassers im Getriebe kürzlich Probleme bekommen haben!“ oder „Nein, Schwimmflügel werden in Busgröße leider nicht mehr hergestellt!“ oder einfach „Ja, klar!“

Noch bevor ich antworten kann, merkt er, dass er wohl etwas Dummes gesagt hat und meint:

„Das ist wohl zu weit, oder? Das würde vermutlich drei Tage dauern oder so!“

Genau. Drei Tage. So ungefähr. Und das ist auch das Einzige, was dagegen spricht. Vollpfosten. Kann ich jetzt bitte endlich weiter lesen?

So viel zu meinen Mitreisenden. In meiner ganzen Greyhound-Zeit habe ich vielleicht 10 andere Backpacker im Bus getroffen und ein paar vereinzelte Studenten. Dafür aber viele Menschen, die bereitwillig ihr Leben mit mir, anderen Passagieren oder dem ganzen Bus geteilt haben. Und damit meine ich Geschichten über Gefängnisaufenthalte, Bewährungsstrafen, Adoptionen, Entzüge, Gerichtstermine etc. Es ist faszinierend, wie viele Menschen Müllsäcke statt Koffern verwenden und wie viele unterschiedliche Grau- und Drecktöne Kleidung annehmen kann. Ferner von der Glamour-Welt der Hochglanzmagazine kann man gar nicht mehr sein…

Genau dieser extreme Unterschied zwischen Arm und Reich lässt die Vermutung in mir aufkommen, dass die USA eigentlich ein Entwicklungsland sind. Natürlich nicht nur im Bus, sondern auch in vielen der kleinen Orte durch die wir fahren, in denen leerstehende Häuser vor sich hingammeln und vieles einfach nur trostlos aussieht.

Auf der einen Seite ist alles hochtechnologisiert, es gibt bombastische Städte, alles scheint möglich und es herrscht eine „höher, schneller, weiter“- Mentalität, die ihres Gleichen sucht. Gleichzeitig gibt es so viel Hoffnungslosigkeit und fehlende Motivation. Das ganze Land scheint voller Gegensätze und ich frage mich, wann diese außer Balance geraten. Oder ist es vielleicht schon passiert?

Wie kann es sein, dass man sich in einem der reichsten Länder der Welt nicht prinzipiell sicher fühlen kann? Neben der oberflächlichen Freundlichkeit scheint jeder über ein gehöriges Maß an Misstrauen der Menschheit gegenüber zu verfügen. In jeder Stadt gibt es Gegenden, die man auf keinen Fall betreten sollte und das große Aufgebot an Security ist zwar einerseits beruhigend, andererseits frage ich mich aber doch, aus welchem Grund es überhaupt notwendig ist…

Immer wieder erscheint mir „Verschwendung“ das einzig passende Wort für so vieles. Alleine der Müllberg, für den ich nach meiner kurzen Reise verantwortlich bin… so viele Bäume kann ich in meinem Leben gar nicht pflanzen, ohne eine Baumschule zu eröffnen. Und – ohne Arrogant wirken zu wollen – es wäre so einfach, den CO2 Ausstoß der USA signifikant verringern. Klimaanlagen nicht so kalt einstellen, dass man in Gebäuden und in Bussen generell einen warmen Pulli braucht. Es muss doch nicht sein, dass mir die Brille beschlägt, wenn ich aus dem Bus steige, oder? Und warum muss man Getränke auf Minusgrade herunterkühlen? Ein Kühlschrank ist doch kein Gefrierschrank und ich persönlich brauche den Schmerz an den Zähnen und in der Magengegend nicht! Außerdem habt ihr lieben Amerikaner doch panische Angst vor Schweiß, also solltet ihr doch verstehen, dass der Körper bei diesen Temperaturschwankungen durchdreht.

Oder wie wäre es denn mit etwas kleineren Autos? Da wären auch gleich die Staus kürzer. Und überhaupt, ein klein Wenig mehr Verständnis für Entfernungen. Das muss doch auch möglich sein, wenn man sich nicht dem metrischen System unterworfen hat, oder? Viele Menschen scheinen einfach nicht einschätzen zu können, was Laufentfernung ist und an welcher Stelle der nächste Parkplatz sogar weiter entfernt ist, als wenn man direkt zu Fuß geht. Es ist faszinierend, wie ein Land so auf Autos eingerichtet ist. In vielen Orten kann man zu Fuß zwar Ersatzteile fürs Auto kaufen, aber keine Milch.

Vielleicht kann man es als „Gedankenlosigkeit“ zusammenfassen, denn viele Dinge, die uns selbstverständlich sind, scheinen hier noch gar nicht ins Bewusstsein gerückt zu sein. Und dabei meine ich nicht, dass Recycling hier nicht mit Materialien, sondern mit ursprünglicher Verwendung des zu recyclenden Gegenstandes zu tun hat. Wie sonst lässt sich erklären, dass Aluminiumdosen, Glas- und Plastikflaschen in einen Container kommen. Andere Glas und Plastikverpackungen aber in den Restmüll sollen?

Was ich meine ist, dass sich ein Großteil der Bevölkerung einfach viel weniger Gedanken zu machen scheint, als in vielen anderen Ländern. Offensichtlich gibt es eine grandiose Elite, wie sonst lassen sie die Universitäten und all die erfolgreichen Konzerne erklären, aber die breite Masse scheint einfach kaum nachzudenken oder wird vielleicht sogar dumm gehalten. Das ist zumindest mein Eindruck.

Und was mir wirklich fehlt, ist die Vielseitigkeit. Ich hatte erwartet, z.B. im Supermarkt vor Produkten fast erschlagen zu werden. Aber nein. Es gibt nur relativ wenig Auswahl und dabei kaum etwas, das es bei uns nicht gibt. Und irgendwie schmeckt fast alles gleich (es sei denn, man sucht die Bioläden auf). Überhaupt scheinen sich die Geschmacksrichtungen hier auf „Apfel, Pizza, Zimt, Blaubeere, Ceddar und BBQ“ zu beschränken. Ach ja und natürlich Salz und Zucker. Das steht ganz oben auf der Liste und dass man hier Dinge bekommt, die so stark gesüßt sind, dass sie schon wieder bitter schmecken (inverse Homöopathie quasi), damit habe ich nicht gerechnet.

Mir persönlich ist das Land einfach zu flach und oberflächlich. Vieles folgt einem seichten Massengeschmack ohne Höhen und Tiefen. Vielleicht hätte ich länger an einem Ort bleiben müssen, um weitere Schichten zu entdecken. Aber das was ich von der „Kultur“ (im weitesten Sinne) gesehen habe, hat einfach nichts mit dem zu tun, was ich schätze.

Was aber wäre, wenn ich das alles ignorieren könnte und meinen Blick einfach nur auf das richte, was schon vor den Menschen dort war?

Es bliebe ein riesiges Land mit unbeschreiblicher Natur, unerschöpflich scheinenden Ressourcen, vielfältigen Landschaften und nicht zuletzt mit dem Grand Canyon, der mich so fasziniert hat, dass mich allein der Gedanke an den Moment in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, zu Tränen rührt.

3 Responses to Nordamerika – Mein Resümee

  1. Felix says:

    Balance = Keine Reibung, keine Spannung = Keine Energie. Denk mal drüber nach…

    … und die oft genannte Oberflächlichkeit lässt die Supermarktkassiereinnen lächeln und verschafft dir Eindrücke in die Lebensphilosophien von bierbäuchigen Tätowierten mit denen du in deinem heimatlichem Umfelt selten in Kontakt kommst. Man kann ja mal mit jemandem reden ohne gleich Freunde fürs Leben werden zu müssen ;-)

    Denk dran, man sieht immer was man sehen will.

    • Anna says:

      Hab ich irgendwas davon gesagt, dass ich auch nur eine einzige Erfahrung missen möchte? ;-) Habe außerdem noch keinen nicht tätowierten Amerikaner getroffen. Und ich habe wirklich gesucht.

      Wie gesagt, ich habe das gesehen was ich sehen wollte, weil ich genau das erwartet habe. Naja, vielleicht nicht zu so einem Extrem. Aber jetzt sind es endlich keine Vorurteile mehr, sondern ich darf sie “Urteile” nennen.

  2. Debbie says:

    Ach, Anna, wie Recht du doch mit all dem hast, was du als Resümee gezogen hast. Ich stimme dir aus vollem Herzen zu!

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