Hilo Take II

Hawai’i (Big Island) ist die vielseitigste aller Inseln. Es gibt diverse Wetterzonen und überhaupt, bekommt man hier angeblich alles. Also will ich auch alles sehen, oder zumindest viel. Laut diverser Erzählungen scheint außerdem auf der anderen Seite der Insel alles besser zu sein. Da bin ich zwar skeptisch aber durchaus neugierig, daher muss ein Tagesausflug natürlich sein und so setze ich mich in den Bus nach Kona.

Eine Busfahrt quer über die Insel ist auch wirklich eine gute Idee. Die Unterschiede sind faszinierend. Eben noch im Regenwald, sind wir plötzlich in der Wüste, dann in einer Gegend, die auch in Norddeutschland sein könnte und plötzlich wieder in einem Trümmerfeld, das hier offensichtlich einmal einer der Vulkane hinterlassen hat. Und das alles auf einer nicht wirklich langen Strecke. Drei Stunden Busfahrt vergehen wie im Fluge und das nicht nur, weil ich inzwischen daran gewöhnt bin, sondern auch wegen der faszinierenden Landschaft, die wiedereinmal an meinem Fenster vorbeizieht.

Kona an sich ist hingegen relativ unspannend. Es gibt viele Touristen, daher auch mehr Touristen-Geschäfte, als in Hilo. Sonst aber nichts wirklich Spannendes, (angeblich kann man hier gut feiern, aber ich bin ja nur tagsüber da) also schlendere ich einfach ein Wenig durch die Gegend und versuche ca. eine Stunde lang herauszufinden, wo der Bus hält, der mich wieder zurück nach Hilo bringt. Das ist leider nicht so einfach, wie es scheint, denn Bushaltestellen gibt es nicht und da nur ein einziger Bus zurück fährt, möchte ich mich nicht darauf verlassen, dass dieser einfach anhält, wenn ich nach ihm winke… die Aussagen aller Befragten sind ziemlich widersprüchlich und erst, als ich ca. drei Hinweise auf den gleichen Haltepunkt bekomme, versuche ich mein Glück und… habe es auch. Wie schnell man hier zu einem kleinen Nervenkitzel kommt…

Weil ich den Vulkan und den dazu gehörigen National-Park gerne von alles Seiten sehen will und außerdem gerade in einer Phase stecke, in der ich nicht alle zwei Tage an einem anderen Ort sein möchte, habe ich mir für die „Big Island“ etwas mehr Zeit genommen. Im Prinzip keine schlechte Idee, allerdings hab ich da die Rechnung ohne die öffentlichen Verkehrsmittel gemacht. Wie in allen Reiseführern etc. beschrieben, existieren diese zwar, aber zu unmöglichen Zeiten. Mein Ausflug nach Kona (und zurück) ging ja nochmal gut, aber zu diesem Vulkan hinzukommen scheint nahezu unmöglich. Die Entfernung ist ca. 30 Meilen. Natürlich viel bergauf. Also nichts für mich und ein Fahrrad. Selbst, wenn ich mir meine Kondition noch so schön rede… ich habe den Schweizer nach der Rückfahrt gesehen und da ging es logischerweise hauptsächlich bergab. Diese Möglichkeit scheidet aus. Per Anhalter fahre ich gewisslich nicht… da bleiben mir wohl nur Touren. Neben gescheitem deutschen Brot vermisse ich tatsächlich die öffentlichen Verkehrsmittel meiner Heimat.

Mein Hostel bietet ja prinzipiell Touren an, aber das ist wohl nur theoretisch so. Da einfach nicht genug Backpacker im Hostel sind, leben wir wenigen in ständiger Hoffnung, die dann wieder enttäuscht wird. Die erste Absage kommt natürlich zu spät, um eine alternative Tour zu buchen, also beschließe ich, stattdessen einfach Schnorcheln zu gehen. Das soll ja auch schön sein.

So leihe ich mir alles, was ich brauche und laufe ca. 1,5 Stunden bis zu dem ersten mir empfohlenen Strand, an dem man die Unterwasserwelt beobachten kann. Die Stände in Big Island haben gar nichts mit dem zu tun, was man von diversen Postkarten etc. erwartet. Hier gibt es, zumindest im Osten, ausschließlich Lava-Fels Strände, die Suche nach einem Fleckchen, an dem ich irgendwie sitzen kann, gestaltet sich daher recht schwer, aber nicht unmöglich. Nach kurzem Sonnengenuss schnalle mir dann auch die lustigen Flossen an die Füße und die muntere Brille vors Gesicht und schwimme los. Laufen ist ohnehin unmöglich (ja… rückwärts geht, muss man aber auch erst mal drauf kommen in dem Moment).

Schwimmen mit Flossen ist definitiv lustig und auch das Atmen durch den Schnorchel sollte man von der humorvollen Seite betrachten. Das ich allerdings alles sehen kann, über das ich normalerweise gewissenlos laufe bzw. hinwegschwimme, finde ich gewöhnungsbedürftig. Die Unterwasserwelt ist komisch, kantig und gruselig. Vielleicht liegt es daran, dass das Wasser extrem flach ist und ich quasi direkt über allem hänge, aber neon leuchtende Fadenviecher und lange, dünne Fische, die mit ihrem Kopf im Grund stecken und vor sich hin wackeln, finde ich äußerst unangenehmen. Schnellst möglich bewege ich mich wieder Richtung Ufer, Schnorcheln ist wohl einfach nichts für mich…Auf dem Weg ans rettende Land, entdecke ich dann aber zwei muntere Streifenfische, die um einen Stein herum und in Ritzen hinein und wieder rausschwimmen. Äußerst beruhigend. Das muss ich schon sagen. Das gefällt mir, hier bleibe ich, vielleicht ist Schnorcheln ja doch nicht so schlimm.

Nach erstem Unmut und darauf folgender Freunde ist nun meine Neugier geweckt und ich schwimme wieder weiter hinaus. Hier soll es auch Wasserschildkröten geben… Aber will ich denen wirklich begegnen? Die Panik holt mich zwar nicht nochmal ein, schön ist es aber nicht, so nahe am Meeresgrund mit all den komischen-gruseligen Formen vorbeizuschwimmen. Nein, das reicht, ich habe es versucht, ich will wieder an Land und zwar schnell.

Als ich es mir gerade auf einem Stein „gemütlich“ gemacht habe, kommt eine Frau, die von ihrem Mann überredet wurde Schnorcheln zu gehen und der es genauso geht, wie mir. Wir sind uns einig, dass es wirklich nicht schön ist, alles zu sehen, dass es aber bestimmt auch schönere Orte gibt, vielleicht haben wir einfach nur Pech. Wir unterhalten uns eine Weile, bis sie und ihr Mann los wollen (Vulkane erkunden) und ich mich frage, ob die vulkanstein-geprägten Dellen jemals wieder aus meinem Hintern verschwinden. So entsteht also Cellulite…

Schnorcheln kann ich also auch von meiner To-Do-Liste streichen. Naja, noch nicht wirklich, diese Aktivität braucht wirklich eine zweite Chance, alles andere wäre unfair. Aber zunächst steht ja noch der Vulkan bei Tageslicht auf dem Programm. Es gelingt mir, den Waliser und den Chinesen (und damit ca. 80 % der Hostelgäste) zu überzeugen, am nächsten Tag früh aufzustehen, um den Bus um 5.00 Uhr zu nehmen, der uns zum National Park bringen soll. Es gelingt uns allen, rechtzeitig aufzustehen und zu frühstücken, was uns allerdings nicht gelingt, ist früh genug das Hostel zu verlassen. Als wir kurz vor der Bushaltestelle stehen, sehen wir den Bus vorbeifahren. Wir rennen noch ein Stück, aber es ist zu spät. Die einzige Möglichkeit, einige Stunden im National Park zu verbringen ist somit an uns vorbeigezogen. Ich kann es nicht fassen.Wie kann man denn so bescheuert sein und um kurz nach 4.00 Uhr aufstehen, um sich dann im Hostel zu verquatschen und den einzigen Bus zu verpassen?

Gleichzeitig freue ich mich ein Wenig, zum ersten Mal (soweit ich mich erinnere in meinem Leben), ein Verkehrsmittel verpasst zu haben (abgesehen von Anschlüssen, aber die zählen ja nicht, weil ich ja nix für Verspätungen kann). Offensichtlich klappt das mit der Entspannung und dem Ablegen des Kontrollzwangs. Das sollte ich mir zwar nicht zur Gewohnheit werden lassen, aber es ist immerhin eine neue Erfahrung. Allerdings bringt mich diese nicht dem Vulkan näher, was mich wiedereinmal in diese komische Zwischenstimmung aus Frust und über mich selbst lachen bringt.

Nach einer Runde Schlaf und einem zweiten Früstück, versuchen wir den Hostel-Manager davon zu überzeugen, uns zum Park zu fahren. Der hat allerdings zu viel zu tun (warum auch immer, gestern saß er den ganzen Tag vorm TV). Taxis sind zu teuer, uns bleibt wohl nur, den Nachmittagsbus zu nehmen, der uns ca. 1 Stunde Zeit lässt, den Vulkan zu erkunden. Arrrgggggg. Langsam habe ich das Gefühl, dass Vulkane ähnlich verflucht sind, wie Gletscher.

Keine Ahnung was dann doch noch das Blatt wendet, aber der Hostelmanager bietet uns irgendwann doch noch an, die Tagestour zu machen. Die Zeit reicht und so machen wir uns auf. Allerdings fängt es natürlich pünktlich mit der Abfahrt an zu regnen. Also das behaupten die anderen. Ich bleibe relativ standhaft in meiner Behauptung, dass es sich nicht um Regen, sondern um hohe Luftfeuchtigkeit handelt.

Zuerst geht es in zwei kleine Ausstellungen (es gibt zwei Formen von Lava, die eine heißt Aa und sieht auch so aus), dann können wir den Krater nicht sehen, weil natürlich eine Wolke drin hängt. Ich bin definitiv verflucht. Die dampfenden Erdlöcher sind allerdings sichtbar, das ist schonmal was und dann geht es in eine „Lava Tube“. Sieht aus wie eine Höhle, ist aber keine (weil von Lava gemacht, nicht von Wasser). Hammer, wenn man sich vorstellt, welche Massen an geschmolzenem Stein da mal durchgeflossen sein müssen. Zwischenzeitlich konnte ich auch klären, dass diese munteren Erdplatten ein riesiges Recycling-System sind und eingeschmolzen werden. Meine Angst, die Erde bricht irgendwann zusammen, weil die Vulkane das ganze Erdinnere ausgespuckt haben, ist somit vollkommen unbegründet. Glück gehabt.

In Sachen Vulkanen hab ich offensichtlich Lava geleckt, daher will ich unbedingt in den Krater. Da gibt es einen kleinen Hike, ca. zwei Stunden. Das Wetter ist fies, aber das ist mir egal. Zum Glück lassen sich auch die Jungs überreden (zu memmen, wenn das einzige Mädel überzeugt ist, scheint auch nicht so einfach) und so laufen wir in den Krater und stehen plötzlich in einer Art Mondlandschaft. Also zumindest stelle ich es mir den Mond so vor. Irgendwie hat es aber auch etwas von aufgeplatztem Straßenbelag, aus dem sich zahlreiche Pflanzen, herauskämpfen und mich dazu bringen die Melodie von Löwenzahn vor mich hinzusingen. In diesem Moment hätte ich tatsächlich gerne mal Deutsche um mich gehabt.

So ein Vulkankrater hat etwas unglaublich Ursprüngliches. Extrem unberührt und verlassen. Es fühlt sich so an, als wäre man noch weiter von jeglicher Zivilisation entfernt, als man es ohnehin schon ist. Und was für ein Steins-Chaos hier überall rumliegt. Es ist wirklich faszinierend und wenn ihr jemals die Gelegenheit habt: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung. Warum auch immer sonst keiner Regenjacke und gescheite Schuhe für den Hawaii-Urlaub eingepackt hat.

Wiedereinmal schaffe ich es also doch, alles zu sehen, was ich möchte. Meine Mission „Big Island“ ist erfüllt, jetzt muss ich nur nach das Paradies auf O’ahu finden.

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