Hilo, 27.10.-02.11.2010

Am Flughafen angekommen rufe ich – wie mir gesagt wurde – im Hostel an, um abgeholt zu werden. Ja, gar kein Problem, aber eigentlich dürfte er mich nicht holen, wenn mich also jemand fragt, warum er das tut, bin ich eine Freundin… Worauf hab ich mich denn hier bitte eingelassen?

Während ich auf das mir beschriebene Auto warte, schwanke ich, ob ich nicht doch ein anderes Hostel suchen soll… aber am Ende ist es alles gar nicht so dramatisch: Das Hostel ist lediglich neu und die Shuttle-Genehmigung fehlt noch. Damit kann ich Leben. Wir sammeln noch einen Schweizer auf, der vergeblich versucht hat, den Vulkan zu sehen und weil auch die von ihm gebuchte Lava-Tour wegen mangelnder Teilnehmerzahl nicht stattfinden kann, lädt ihn der Hostel-Besitzer zu einem Bier ein. Und weil ich grad da bin bekomme ich auch eins. Da hab ich ja nichts dagegen und kann nun bezeugen „es gibt doch Bier auf Hawaii“. Also nicht mal das Vorurteil stimmt, aber das ist ja nicht unbedingt schlecht.

Wir landen bei der Eröffnung einer Kneipe. Hier gibt es zu allem Überfluss auch noch kostenloses, echt hawaiianisches Essen, Live-Musik und Promo-Chicks, die uns Schnaps bringen. Eine Amerikanerin checkt auch noch im Hostel ein und schließt sich uns an, so dass der eigentlich doofe Tag doch noch ein schönes Ende findet. Vielleicht liegt das paradiesische Hawaii ja einfach auf einer anderen Insel?

An meinem ersten Tag in Hilo ziehe ich mit dem Fahrrad los und schaue mit die „Rainbow Falls“ und die „Hot Pots“ an. Die Reizüberflutung einer langen Reise lässt einen leider etwas abstumpfen und so sind die Fälle zwar „ganz nett“, aber nicht so spannend, wie sie vor einem Jahr gewesen wären. Neben den Rainbow-Falls gibt es allerdings diverse Banyan-Trees und ich sage euch: wenn ich jemals eine Phobie vor Pflanzen entwickle, dann vor diesen Bäumen.

Sie faszinieren mich ungemein, gleichzeitig finde ich sie gruselig und es wundert mich gar nicht, dass es in diversen Filmen Bäume gibt, die Menschen angreifen (oder gibt es das gar nicht und ich bilde mir das nur ein?). Bei Banyan Trees möchte ich gar nicht wissen, was die alles tun, wenn keiner hinschaut… So denke ich also darüber nach, ob ich mir eine ausgeprägte Angst zulegen sollte, freue mich über die vielen schönen Pflanzen, fahre weiter mit dem Fahrrad bergauf, lasse mich nassregnen, finde die Hot Pots langweilig, fahre extrem viel bergab, lasse mich weiter nassregnen und habe irgendwie einen schönen Tag. Bei den vielen schönen Bäumen und Pflanzen habe ich auch langsam Verständnis für den Regen. Und außerdem ist Hilo die regenreichste Stadt der USA. Noch vor Seattle. Da gibt es also wirklich keinen Grund zu meckern. Und warm ist es auch noch. Und diese Pflanzenwelt hat etwas für sich… ja… ich nähere mich doch dem Paradies.

Abends geht’s dann doch zur Lava-Tour, obwohl wir nach wie vor nur zu zweit sind. Das verstehe, wer will. Mit Taschenlampen bewaffnet geht es los. Bis zu der Stelle, an der die Lava in den Ozean fließt sind es ca. 1,5 Stunden über erkaltete Lava. Wir betreten Land, das es vor wenigen Wochen noch nicht gab. Das ist schon irgendwie komisch, wenn man bedenkt, dass wir uns sonst auf millionen Jahre altem Boden bewegen…

Ich bin froh, dass ich mir mit der Taschenlampe ohnehin den Weg leuchten muss, denn auch sonst wäre mein Blick fest auf den Boden gehaftet. Niemals hätte ich gedacht, dass kalte Lava so schön ist. Silbrig glänzend und in den unterschiedlichsten Strukturen. Manchmal wirkt es grob, manchmal wie in Falten gelegte Seide… ich nutze jede Gelegenheit, die Steine anzufassen und bin jedes Mal wieder erstaunt, wie etwas so weich aussehen und trotzdem so hart und rau sein kann. Über relativ frisch erstarrte Lava zu laufen, hört sich an unterschiedlichen Stellen auch recht verschieden an. Mal ist es, wie durch Kies zu laufen, mal wie Holzkohle auf den Grill schütten und manchmal klingt es, wie trockene Kellog’s Frosties essen, während man sich die Ohren zu hält.

Wir kommen an einen Strand aus schwarzem Sand, auch der war vor Kurzem noch nicht hier. Wow. Es glitzert und der Sand ist rau und glasig. Ich glaube, mein Mund steht vor erstaunen offen und da geht es auch schon weiter. Es ist wirklich stockfinster und das Einzige, was man außer unseren Taschenlampen sieht, ist der glühend rote Wasserdampf am Lava-Strom und unendlich viele Sterne am Himmel. Auch das habe ich noch nie gesehen. Es sind so viele, dass sie fast ineinanderzufließen scheinen und trotzdem kann man noch jedes einzelne Funkeln erkennen.

Vielleicht ist es nur Einbildung, aber es scheint, als würde es immer wärmer werden, je näher wir dem Lava-Strom kommen. An einigen Stellen kommt durch die Ritzen in der erkalteten Lava heiße Luft und manchmal kann man sogar das Glühen in der Tiefe sehen. Und dann sind wir auch schon nahe genug an der Lava, um zu sehen, wie sie sich langsam zum Meer bewegt und in gigantischen roten Dampfwolken endet. Ein wahnsinniges Spektakel. Wir gehen noch ein wenig näher ran und unser Tour-Guide sagt nur: „Ich beobachte das Wasser und wenn ich sage „zurück“, dann geht ihr zurück. Sofort!“ Zugegebenermaßen kitzelt das die Nerven doch ein wenig, aber was wir sehen können ist einfach magisch. So müssen die Menschen auf die Vorstellung von der Hölle gekommen sein. Was die Hölle eigentlich zu einem wunderschönen Ort macht…

Jetzt steht mein Mund vor Begeisterung garantiert offen. Ich brauche endlich mehr Worte für „atemberaubend“.

One Response to Hilo, 27.10.-02.11.2010

  1. Jojo says:

    Schon der große australische Philosoph Bon Scott sagte ja seinerzeit “Hell ain’t a bad place to be”

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