Grand Canyon, 05.09.2010

Am nächsten Tag geht es mittags los in Richtung Flagstaff. Zum ersten Mal hab ich wirklich etwas konkret geplant und gebucht und festgemacht. Und zum ersten Mal macht mir Greyhound auch gleich einen ordentlichen Strich durch die Rechnung.

Mein erster Bus hat 45 Minuten Verspätung. Nicht etwa, weil die Straßen voll waren, sondern weil der Busfahrer bei jeder Gelegenheit trödelt. Wir steigen aus einem Bus aus und der freundliche Greyhound Service-Mann sagt nur: “Den Bus nach Dallas haben sie verpasst, der nächste fährt um 1.50 Uhr”.

Ich versuche Informationen über meine Weiterfahrt aus ihm herauszubekommen, aber er wiederholt, eher vorwurfsvoll, dass wir ja schließlich den Bus verpasst haben und dass der nächste erst in einigen Stunden fährt. Kaum in Houston angekommen, habe ich also schon ein ernsthaftes Problem, denn mein Aufenthalt dort hätte nur 30 Minuten sein sollen und mein Anschlussbus hat natürlich keine weiteren 15 Minuten gewartet. Schnell stellt sich heraus, dass dies für mich bedeutet, dass ich 15 Stunden später in Flagstaff ankommen werde, keine Chance mehr habe an diesem Tag, also an meinem Geburtstag, zum Grand Canyon zu kommen.

Meine Reservierungen für Hostel, Shuttle und Muli-Tour sind also umsonst, wenn auch leider nicht kostenfrei und ich werde auch meine folgenden Hostel-Reservierungen noch ändern müssen, wenn ich mir den Blick auf den Canyon gönnen möchte. Keine gute Aussicht und alles andere, als das, was ich mir vorgestellt habe. Meinen Geburtstag halb im Bus und dann halb in Flagstaff, ohne wirklich etwas zu tun zu haben und ohne bekannte Gesichter zu verbringen… nicht gerade meine Traumvorstellung. Also beginne ich mit aller, mir möglichen Penetranz sämtliche Greyhound-Mitarbeiter zu fragen, ob es nicht doch irgendeinen Weg gibt, der mich rechtzeitig an mein Ziel führt.

Während meines Aufenthalts in Houston spreche ich wirklich mit jedem, warte Schichtwechsel ab und breite mein gesamtes emotionales Spektrum von Freundlichkeit über Boshaftigkeit, bis hin zu Tränen und absolutem Mädchengetue vor den Menschen mit dem lustigen Windhund auf dem Hemd aus. Außer einer Umarmung und einem verfrühten „Happy Birthday“ Ständchen bringt mich das allerdings gar nicht weiter. Immer wieder die gleiche Auskunft: Die erste Möglichkeit, in Flagstaff anzukommen ist Sonntag, 5. September, 12.45 Uhr, mittags. Auch keine Chance, an einen anderen Ort zu kommen, der mich irgendwie in die nähe des Canyons bringt.

Wie konnte ich nur so bescheuert sein, diese Reise mit Greyhound zu machen??!!! Ich hasse es, wenn meine Pläne nicht funktionieren! Es ist kein Problem, wenn sich der Weg zum Ziel verändert, aber ich weigere mich einfach zu akzeptieren, dass ich nicht bekomme, was ich möchte und steige in den nächsten Bus nach Dallas. Damit liege ich drei Stunden hinter meinem Zeitplan, bewege mich aber immerhin in Richtung Westen. Vielleicht bringt mich ja hier irgendetwas weiter. Vielleicht ein Zug? Die Aussage, dass die auch nicht schneller sind, habe ich schließlich erst einmal bekommen. In Dallas also wieder zum Info-Schalter. Anstellen, warten. Ein Mitarbeiter fischt sich zwischendurch Personen heraus, die keine Tickets kaufen wollen und so auch mich. Ich schildere auch ihm mein Problem und er überlegt, tippt in seinen Computer, überlegt, probiert und sagt schließlich einem Busfahrer, dass er doch bitte noch ein wenig warten soll. Ich bekomme ein neues Ticket mit einer neuen Route, angeblich die schnellste und soll mich beeilen, in den Bus zu kommen.

Auf dem Ticket steht die planmäßige Ankunft: Sonntag, 5. September, 12.45 Uhr, mittags. Arrrrgggghhhhh! Und jetzt habe ich nicht mal mein altes Ticket, das beweist, dass ich zu spät war und mit dem ich evtl. noch eine kleine Chance gehabt hätte, meine Reservierungen mit Bestätigung von Greyhound zu verschieben. Egal. Ich kann es nicht ändern und hetze zum Bus. Der wartet wie verprochen, ich steige ein und schaue mir mein Ticket genauer an. Um am Sonntag um 12.45 Uhr mittags anzukommen, müsste ich am 4. September um 12.30 mittags ab Dallas losfahren. Es ist aber erst 6.00 Uhr morgens. Das gibt mir Hoffnung. An der ersten Rast frage ich den Busfahrer, wann ich in Flagstaff bin. Er sagt: „Steht auf dem Ticket“ ich sage „Auf meinem Ticket steht aber auch, dass ich erst in ein paar Stunden losfahre!“ Er „Ach ja. Dann hast du wohl den letzten Bus verpasst. Dann kommst du 24 Stunden früher an, als auf dem Ticket steht!“ Diese Aussage klingt zwar gut, macht aber keinen Sinn. Er denkt noch einmal nach und sagt „Ach nee, 24 Stunden minus 9.“

So richtig logisch klingt es immer noch nicht, aber ich schöpfe Hoffnung, dass ich es noch schaffe. In Oklahoma erfahre ich dann endlich, dass ich um 4.00 Uhr morgens in Flagstaff ankommen sollte. Ich rufe im Hostel an, der Mann ist nett und verspricht mir, mir einen Schlüssel zu hinterlegen. Und so langsam kommt meine Vorfreude zurück. Natürlich ist auch dieser Bus zu spät und ich bin erst um 6.00 Uhr in Flagstaff, aber es reicht, um mit dem Taxi zum Hostel zu fahren, meine Klamotten zu wechseln, meinen Rucksack einzuschließen, schnell etwas zu frühstücken und mich auf zum Shuttlebus zum Grand Canyon zu machen.

Und ich sage euch, so aufgeregt und nervös war ich vor der gesamten Reise nicht. Und dann bin ich endlich da, steige aus dem Bus, laufe einige Meter und stehe an meinem 30. Geburtstag ungeduscht, übermüdet und überglücklich am schönsten Platz dieser Erde, den ich bisher gesehen habe.

Wohlverdient breche ich erst einmal in Tränen aus, weil es dort so wunderschön ist. Ich laufe rum, mache meinen Muli-Ritt – sehr, sehr lustige Tiere, die außerdem den Vorteil haben, nicht den Teil vom Pferd zu besitzen, gegen den ich allergisch bin – und kann einfach meine Augen nicht vom Canyon lassen. Alle die sagen: „ Was will ich da, es ist doch nur ein Loch/ es sind doch nur Felsen!“ die haben einfach keine Ahnung, denn ich kann mir keinen schöneren Ort auf dieser Reise vorstellen, um meinen Geburtstag zu verbringen. Abgesehen davon sind 30 Jahre gar nichts, wenn man bedenkt, wie viele Millionen es gebraucht hat, um den Canyon zu formen.

Sächsische Touristin zu ihrem Mann: „Hast du Sonnencreme benutzt? Ich sag dir… creme dich endlich ein, sonst bekommst du wieder einen roten Kopf und glühst so, dass wir heute Abend kein Licht anmachen müssen.“

3 Responses to Grand Canyon, 05.09.2010

  1. Julia says:

    Liebste Anna, jetzt musste ich doch glatt ein Tränchen verdrücken. Toll dich auf deiner Reise begleiten zu dürfen :-) Hab dich lieb und vermisse dich! P.S. deine HP ist der absolute Hammer!!!

  2. Totte says:

    Sehr schön…

    echt cool, dein Reise hier mitlesen zu dürfen. Auch wenn ich viel lieber dabei wäre. *g* Hast du den Canyon Hike gemacht?

  3. Anna says:

    Nein, leider nicht. Aber das war der erste Punkt meiner Reise, an den ich unbedingt wieder zurück möchte.

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